SCHAUM
Paradise Lost – “War am Anfang das Wort?”
Galerie im Waidspeicher, Erfurt
„Im Anfang war das Wort …“ – so beginnt der in Strophen verfasste Prolog des Johannes-Evangeliums. Ähnliche Begriffe finden sich auch im ersten Schöpfungsbericht der Tora, der gleichsam mit den Worten „Im Anfang …“ beginnt. Nicht nur im Ausstellungstitel, sondern auch der Ort – die Galerie Waidspeicher, gelegen in einem historischen Quartier Erfurts, in dem bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts Juden und Christen nebeneinander wohnten – verschränken sich verschiedene Religionen und die historische Vergangenheit mit unserer Gegenwart.
War am Anfang das Wort? Was ist geblieben? Der Wandel von Sprache in unserer heutigen medial geprägten Welt mit ihren Werbeslogans, Headlines, Newstickern, Kurznachrichten via SMS und die Kommunikation in sozialen Netzwerken stellt sich in Verknappungen und gänzlich neuen Abkürzungen dar. In der Arbeit A&O wird das Alte Testament auf die zwei Vokale A und O reduziert und in dieser Essenz als Fließtext in Anlehnung an das „lebendige Wasser“ einer Mikwe projiziert. So bleibt vom Inhalt des Wort Gottes einzig ein bedeutungsschwerer Code.
Das vermeintliche Paradies ist lange schon verloren und dennoch in Verweisen präsent. So im romantisch konnotierten Arkadienbegriff, für welchen als Bildmetapher Caspar David Friedrichs Kreidefelsenmotiv dient. Die Künstlergruppe inszeniert sich vor der weißen Steilküste – regionale Bezüge zum eigenen Lebensraum sind eingedacht – und spielt mit der Arbeit Pioniere gleichzeitig auf die Anfänge der Fotografie des 19. Jahrhunderts an, als mit Technikgläubigkeit die Welt erobert wurde. Dem ursprünglichen Entdeckergeist wird die heutige Kritik der Usurpation entgegengestellt.
Paradise Lost I verwendet eine Produktwerbung aus einem Katalog und führt den in unserer Gesellschaft omnipräsenten Begriff Individualität ad absurdum. Ein Katalogangebot wirbt mit der Einzigartigkeit eines Produktes – einem Couchtisch – und richtet sich mit dieser Botschaft jedoch zugleich an eine große Käuferzahl. Der fadenscheinigen Werbestrategie wird das künstlerische Unikat einer Ätzradierung als Antwort entgegengesetzt.
Die Künstlergruppe suchte in einem Aufruf an die Einwohner Erfurts nach einem Wort von persönlicher Bedeutung. Wärme – einer der eingesandten Begriffe – wurde im Außenraum als Lichtinstallation mit den Titel Am Anfang war das Wort realisiert. Neonröhren formen mit ihrem kühlen Licht ein Wort, das durchgängig positiv besetzt ist, mit dem Geborgenheit, Entspannung, Energie, Wohlbehagen und bestimmte Farben suggeriert werden.
Ein alltäglich zu beobachtendes Phänomen unserer realen Lebenswirklichkeit ist, dass sich menschliche Anwesenheit, das Zuhausesein in den Abend- und Nachtstunden, anhand des blauen Flimmerns der angeschalteten Fernseher und Monitore ableiten lässt. Fehlt das kühle Licht der virtuellen Bilder in den Fenstern, kann dies als Zeichen von Abwesenheit gedeutet werden. Der Glauben an die so vermittelte Präsenz kann aber ebenso bewusst irreleitend eingesetzt werden. Die Installation Zuhause thematisiert das Spiel mit An- und Abwesenheit: Ein Simulator erleuchtet ein Galeriefenster, das blaue Licht strahlt in eine kleine Gasse, aber dennoch ist niemand zuhause.
All diese Arbeiten stehen exemplarisch für die künstlerischen Untersuchungen von SCHAUM, bei denen die Zweckentfremdung von Sprache und Ikonografie und der damit einhergehende shift of value (Wertewandel) thematisiert werden und unser eigener Umgang mit Sprache und Bildern reflektiert wird.